#happyselling :-)

Diese Frage haben sich in den letzten Wochen und Monaten sicherlich einige Online-Händler:innen gestellt. Der durch zwei Jahre Pandemie erfolgsverwöhnte Online-Handel bekommt aktuell deutlich spürbaren Gegenwind. Wie bereits in unserem Mai-Newsletter berichtet, zeigte der Salesforce Shopping Index für das erste Quartal des Jahres erstmals seit Erfassung einen Rückgang der Online-Einkäufe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (-15 % in Deutschland).

Doch wie sieht es nun für das laufende zweite Quartal aus? Welche Branchen sind dabei besonders betroffen oder welche stemmen sich noch gegen den negativen Trend? Und vor allem, was sind die Gründe für die aktuelle Schwäche des Online-Handels? Diesen und weiteren Fragen möchten wir in diesem Blogartikel nachgehen.

Trend setzt sich fort im zweiten Quartal

Die schlechte Nachricht vorweg: Erste Prognosen und Zwischenbilanzen für das laufende zweite Quartal deuten darauf hin, dass auch weiterhin keine Besserung in Sicht ist. So ergab eine vom BEVH veröffentlichte Erhebung, dass die E-Commerce-Umsätze in Deutschland in der ersten Hälfte des Q2 im Durchschnitt um 6,7 % niedriger liegen als noch Vorjahreszeitraum. Am stärksten betroffen waren dabei die Segmente DIY & Blumen (-15,2 %), Auto/Motorrad & Zubehör (-14,5 %) und Elektronikartikel (-14,4 %). Entgegen dem allgemeinen Trend zeigten sich u. a. die Bereiche Bürobedarf (+11 %) und Tierbedarf (+8,6 %) noch deutlich robuster.

Die Prognose des HDE zum E-Commerce Wachstum in Deutschland für das Jahr 2022 wurde bereits von 13,4 % auf 12,4 % abgesenkt, doch selbst dieser Wert wird in Anbetracht der schwachen ersten Jahreshälfte nur sehr schwer zu erreichen sein.

Wo zwickt es?

Die Ursachen für die aktuelle Schwäche sind vielfältig und bestehen aus teils E-Commerce spezifischen und teils branchenunabhängigen Faktoren. So trifft den Online-Handel besonders hart, dass die Menschen nach zwei Jahren Pandemie und Lockdowns ihr Leben wieder zunehmend nach draußen verlagern und wieder lange nicht mögliche Offline-Erfahrungen suchen. Einkäufe können auch wieder in Einkaufszentren erledigt werden, Restaurants, Bars und Clubs sind wieder geöffnet und das Reisegeschäft boomt. Finanzielle Mittel, die letztes Jahr von  Konsument:innen noch bevorzugt für Online-Einkäufe verwendet wurden, fließen also auch wieder vermehrt in Wirtschaftssegmente, die während der Pandemie besonders stark gelitten haben. Hinzu kommt, dass der Segen der Vergangenheit gewissermaßen zum Fluch der Gegenwart wird. Denn durch die sehr starken Vergleichswerte aus den Jahren 2020 & 2021 liegt die Messlatte ohne den Rückenwind der Pandemie für dieses Jahr sehr hoch. In vielen Branchen zeigt sich auch, dass es zunehmend schwierig wird, kurzfristig neue Umsatzvolumen in beträchtlicher Größe zu erschließen. Insbesondere in den Branchen Fashion & Accessoires oder Elektronik liegt der Onlineanteil der Umsätze bereits bei 47 % und 44 %, sodass sich eine weitere Verlagerung der Offline-Umsätze hin zum Online-Geschäft im Zuge wieder gefüllter Innenstädte und Shoppingcentern aktuell als herausfordernd erweisen.

Quelle: https://einzelhandel.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=10659

Neben den E-Commerce spezifischen Hindernissen macht eine gesamtwirtschaftlich ungewisse und angespannte Lage zunehmend Sorge. Der anhaltende Krieg in der Ukraine und eine weiterhin anziehende Inflation (7,9 % im Mai) sorgen im Zuge einer sich anbahnenden Rezession für Konsumzurückhaltung und Vorsicht bei den Verbraucher:innen.  

Auch an den Börsen kracht es

Auch wenn man den Blick an die Börsen richtet, zeigt sich, dass der Markt eine Abkühlung des Online-Handel-Booms einpreist. So hat der Global Online Retail Fund 50, ein Aktienfonds bestehend aus 50 Unternehmen aus dem E-Commerce, auf Einjahressicht fast 60 % (!) an Wert eingebüßt und erreicht somit wieder Vor-Corona-Niveaus.

Quelle: https://www.finanzen.net/fonds/global-online-retail-de000a14n9a9

Einzelne Branchengrößen erwischte es Teils noch heftiger: Die Shopify-Aktie hat innerhalb eines Jahres 72 % an Wert verloren, About You’s und Zalandos Anteilsscheine 71 % und 69 %. Selbst Branchenprimus Amazon blieb nicht verschont und büßte auf Einjahressicht 27 % des Unternehmenswertes ein.

Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass die stark sinkenden Kurse nicht allein auf die E-Commerce-Schwäche zurückzuführen sind, sondern sich der gesamte Aktienmarkt aufgrund steigender Zinsen, Inflationsängsten und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten aktuell sehr schwach und verunsichert zeigt.

Es kristallisiert sich also immer deutlicher heraus, dass die E-Commerce-Sonderkonjunktur der letzten beiden Jahre vorerst beendet ist und sich die Wachstumsraten des Online-Handel wohl wieder auf Pre-Covid-Niveaus normalisieren werden.

Was bleibt aus den Pandemie-Jahren?

Zusammenfassend gilt es, die vergangenen beiden Jahre, als das zu betrachten, was sie waren: Ein Sondereffekt für den weltweiten Online-Handel, mit Wachstumsraten, die nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden können. E-Commerce Urgestein Jochen Krisch von Exciting Commerce empfiehlt die letzte beiden Jahre komplett auszublenden und unabhängig von den vergangenen Spitzenwerten den Blick wieder vermehrt auf die eigenen Stärken und Schwächen zu richten. Viele Online-Händler:innen werden dabei merken, dass sie vor allem operativ um einiges stärker dastehen als noch vor zwei Jahren”.

Auch wenn der Boom nachlässt, kommt der Online-Handel im Gegensatz zu vielen anderen Branchen gestärkt aus der Pandemie und ist auch für eine abflauende Wirtschaftslage gut aufgestellt. Jochen Krisch geht davon aus, dass der Online-Handel “ähnlich wie in der Corona-Krise auch in der Wirtschaftskrise besser fahren wird als z. B. der stationäre Handel, weil er einfach strukturell besser aufgestellt ist (...) und so flexibler auf Krisen reagieren kann.

Was von der Pandemie bleiben wird, ist zum einen die zwei Jahre lang antrainierte Gewohnheit online einzukaufen, zum anderen das Erreichen ganz neuer Zielgruppen, insbesondere auch höheren Alters und eine generelle Stärkung der Online-Affinität der Bevölkerung. Hellofresh CEO Dominik Richter versichert: “Die Corona-Pandemie hat das Verbraucherverhalten fundamental geändert”.

Auch wenn aktuell der Gegenwind für den Online-Handel groß ist, sind die langfristigen Treiber weiterhin intakt und der Trend der Verlagerung vom Offline- hin zum Online-Einkauf wird sich fortsetzen.

Die Verschnaufpause nutzen

Die aktuell ruhige Zeit kann auch als Chance genutzt werden, sich für die kommenden Monate neu auszurichten, die eigene Situation zu analysieren und Schlüsse aus den letzten beiden Jahren zu ziehen. Spätestens mit dem Weihnachtsgeschäft im vierten Quartal wird das Tagesgeschäft (vorerst) wieder deutlich hektischer für alle Onlinehändler:innen.

Weiterführende Links und Quellen:

Titelbild by Mathieu Stern on Unsplash

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